Nicht nur die Inspiration Modellbau in Mainz konnte ich am Wochenende des 19./20. September besuchen, nein auch eine weitere Veranstaltung in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes (nur ein Hügel liegt dazwischen. EIN HÜGEL und ich war bisher noch nie da ...) stand dann am Sonntag mal endlich auf dem Plan.
In Bad Münster am Stein/ Ebernburg – mittlerweile als neuer Stadtteil in Bad Kreuznach eingemeindet - findet sich natürlich auch die Namensgeberin des Ortes auf einem Hügel und thront über dem selbigen:
Eben die Ebernburg.
Nie gehört ??? Das denke ich mir.
Dennoch ... eine sehr wichtige Burg für die Geschichte des Spätmittelalters bzw. der beginnenden Neuzeit.
Warum?
Hier wurde im Jahr 1481 Franz von Sickingen, der Letzte Ritter geboren; na und er wurde dort nicht nur geboren. Die Burg wurde durch ihn auch ein Merkpunkt der Reformation. An den Füßen der Burg ist ihm ein Standbild gewidmet, das ihn mit seinem Freund und Vertrauten, dem Humanisten und Reformator Ulrich von Hutten zeigt.
„Herberge der Gerechtigkeit“ wurde die Burg genannt, weil Franz von Sickingen flüchtigen Reformatoren hier ein Asyl gewährte. Ja beinahe wäre sogar Luther hierhin geflohen, hatte doch Franz von Sickingen ihm im Verlauf der Ereignisse um den Reichstag in Worms hier ebenso eine Zufluchtsstätte angeboten.
Luther entschied sich anders und floh auf die Wartburg. Das weitere ist Geschichte.
Franz von Sickingen wollte zum einen die Position der Reichsritterschaft, zum anderen aber auch die Position des Kaisers gegen die immer mehr erstarkenden Landesfürsten wieder verbessern.
Seit dem Jahr 1515 entfachte er zahlreiche Fehden, noch im Sold des Kaisers stehend. Maximilian sah sich dann allerdings gezwungen über den immer selbständiger auftretenden Ritter die Reichsacht zu verhängen.
Franz von Sickingen reagierte und trat in die Dienste des französischen Kaisers Franz I. ein, wo er sich bei der Belagerung von Metz an der Spitze eines Heeres von 16.000 Landsknechten und 7.000 Reitern hervortat.
Trotz weiterer Fehden unter anderem gegen die Reichsstadt Worms, gegen die Landgrafschaft Hessen und die Stadt Frankfurt stand der Ritter dann ab dem Jahr 1519 dennoch wieder in Diensten des Kaisers.
1522 rückte er dann gegen Trier vor. Der „Pfaffenkrieg (Ritterkrieg, Trierer Fehde, Pfälzischer Ritteraufstand sind andere Begriffe für dieselbe Auseinandersetzung) endete für Franz von Sickingen tödlich.
Auch seine Stammburg, die Ebernburg, wurde dann im Jahr 1523 von vereinigten Truppen des Kurfürsten von Trier, des Kurfürsten von der Pfalz und des Landgrafen von Hessen belagert.
Dieser Ereignisse wurde dann auch auf dem diesjährigen Mittelaltermarkt gedacht. Zwar nicht genau zum 500 jährigen Jubiläum ... aber sei es drum: Die Veranstaltung hat gepasst.
Neben dem klassischen Mittelaltermarkt in der malerischen Altstadt von Ebernburg, und dem auf den Nahewiesen abgehaltenen Turnier, das aber zeitlich im Hochmittelalter angesiedelt war, hatten zum ersten Mal bei dieser Veranstaltung zu Füßen der Burg Landsknechte ihr Lager aufgeschlagen.
Aber nicht nur das Lager wirkte schon authentisch, auch die Truppe kam gut rüber.
Für mich der einzige Wehrmutstropfen: NEIN meine Herren. Brillenträger mit modernen Fassungen gehen einfach nicht. Na und da liefen dann doch ein paar rum.
Ich versteh das echt nicht. Die Jungs nehmen ihr Hobby richtig ernst, sind sehr gut gewandet, haben tolle Rüstungen. Alle Waffen gewienert und funktionsfähig. Na und dann so was. BRILLEN !!! Am besten noch getönt.
Echt jetzt. Dann lauf ich halt entweder blind rum, oder ich kaufe mir ganz einfach Kontaktlinsen. Jetzt kommt mir nicht mit ... die vertrage ich nicht.
Pinzen gibt es nicht, wenn man Mittelalter reenacten will. Ende. Eure großen Vorbilder hatten Schwären und Wunden, teilweise Pestbeulen. In den Lagern einer belagerten Burg grassierten die Krankheiten. Schnupfen war im Mittelalter normal. Rote Augen auch. Alleine schon von den Feuern der Belagerungen und der brennenden Hexen um einen herum.
Dann habe ich halt rote Augen – habe ich auch, wenn ich Kontaktlinsen anziehe – aber das passt halt auch zum Mittelalter.
Also tut mir Leid. Das ist einfach schlecht. Da diskutiere ich auch gar nicht. Entweder mache ich Fastnacht und Folklore, oder ich möchte Mittelalter reenacten.
Entscheidet Euch.
Aber so ist das halt mit Mittelalterdarstellungen. Viel Tanderadei, rumgetanze, glückliches rumgehüpfe, schräge Musik ...
Na ja. Meine Schwerpunkte im Studienfach mittelalterliche Geschichte waren eben Kreuzzüge, das Interregnum, Krankheiten im Mittelalter, der Hexenhammer, die Hexenverfolgung im Trierer Land, Fehdewesen und Reichsreform ...
Nix mit Tanderei und ökologischem Zusammenleben und fröhlichem Wolle färben.
Eben das klassische, das miese Mittelalter, das heute irgendwie gefährlich verklärt wird.
Hallo ??? Ich wäre damals nicht gerne krank geworden. Trotz der ganzen Heiler, Prediger, Medicus, Hebammen und was weiß ich für einen Quatsch Romane.
Leute lest Quellen, wenn Ihr Euch über das Mittelalter bilden wollt; aber dafür muss man halt auch ein bißchen Latein können. Kann man lernen. Musste ich auch.
Aber Stop. Bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht. NUR die Brillenträger haben mich genervt.
Die anderen Mitglieder der Truppe nicht.
Ich weiß jetzt nicht, ob die alle zu einem Aufgebot gehört hatten – ich hatte mich mit ein paar Leuten unterhalten, die aus dem Kraichgau, aus Bretten kamen, wo es jedes Jahr zu Peter und Paul eine sehr große Mittelalterveranstaltung gibt - .
Jedenfalls war diese Truppe auch artilleristisch super ausgestattet. Zwei Kanonen – von einem der Landsknechte richtig als Gerätschaften, als Böller, nicht als Geschütze bezeichnet -, eine tragbare Hakenbüchse, eine größere Hakenbüchse, Arkebusen, und alle wurden während der Veranstaltung abgefeuert.
Nachdem ich die Eintrittskarte gelöst hatte, begab ich mich nämlich als erstes zur Burg. Ich stürmte an den Ständen vorbei – interessiert mich alles nicht; ich kann IMMER Gewürze, Honig und Essen kaufen – und schaute mir zunächst das Lager an.
Die Landsknechte waren sehr aufmerksam; erklärten auch vielen Besuchern Ihre Tracht, die Waffen und kümmerten sich sehr aufmerksam um die Kinder, die mit Familien unterwegs waren.
Berührungsängste wurden schnell fallen gelassen, da die Darsteller auch immer die Besucher aufforderten, ruhig Fragen zu stellen.
Jungs und Mädels; das habt Ihr echt toll gemacht.
Um 14 Uhr gab es dann eine Schußvorführung. Die Waffen wurden erklärt, Ladevorgänge gezeigt und die Waffen auch abgefeuert. Das gab schon einen ordentlichen Rumms, was leider in den von mir aufgenommen Videos überhaupt nicht rauskommt. Schade.
Nach dieser Vorführung ging ich dann zum Turnierplatz. Auf dem Weg traf ich diesen wirklich super aussehenden Bettelmönch.
Aber auch anderes mittelalterliches Volk.
Hier wurde dann ein hochmittelalterliches Theaterstück aufgeführt.
So nach dem Motto: Der böse Kölner – KÖLNER ??????? – Erzbischof will die Burg erobern. Er brennt das Dorf nieder, bedrängt die Tochter des toten Ebernburgers.
Diese hat zum Glück noch drei Knappen, die es allerdings nie zur Ritterwürde geschafft haben. Die wird jetzt schnell verliehen, na und die drei neuen Ritter treten natürlich gegen den Kölner und seine Schergen – Pfui zu sooo Mensche (wie ein Kollege von mir immer gesagt hat) – im Turnier an ... und ... gewinnen. Logisch.
Am Ende fragt die Tochter einen der neuen Ritter, ob er sie nicht ehelichen will (klar; Tanderadei. Sie hat die Jungs ja auch vorher zu Rittern geschlagen, da kann sie ja auch den ersten Schritt tun. Umpff. Historisch nicht wertvoll. Nope.).
Na und der ....
YES. Das hat mir gefallen.
YES.
Der lehnt ab, weil er noch andere Abenteuer bestehen will.
Yes; so muss das sein. Nix mit Heirat und Tanderadei und so.
Nein in Pornos wird auch nicht am Ende geheiratet. Nur bei der Wanderhure. Das ist aber eine andere Geschichte. Tanderadei.
Na mir haben die Reitsequenzen und die Kämpfe gut gefallen (Stuntgruppe „Die Kaskadeure“). Die Jungs waren wirklich gut. Eine Truppe, die z.B. auch an Filmaufnahmen zu Königreich der Himmel, Henry IV., Eragon, Die Säulen der Erde beteiligt gewesen waren.
Die Zuschauer wurden unterhalten. Keine Frage.
Am Ende gab es dann ein kleines Problem. Aufgrund einer 20 minütigen Pause ging das Turnier bis gegen 17:20.
Um 17:30 wollten dann die Landsknechte aber die Burg beschießen und bestürmen.
Na und ich kann wirklich schnell gehen. Aber das hätte man nur mit einem Sprint geschafft. Schaut Euch die historische Karte an. Ihr seht am rechten Bildrand in der Mitte die einsam stehenden Zelte. Da ungefähr war das Turnier. Die Entfernung zur Burg seht ihr ja.
Bild bei Wikipedia
Zu meinem Glück, begannen aber die Landsknechte 10 Minuten später, und das reichte um leicht außer Atem anzukommen.
Liebe Veranstalter. Da bitte im nächsten Jahr das Zeitfenster etwas erweitern ,wenn ihr ähnliches plant.
Der Markt ist zwar mehrtägig, und die Programmpunkte gibt es sowohl am Samstag, als auch am Sonntag, aber ich – und viele andere auch – hatten eben nur einen Tag Zeit, und wollten beides erleben.
Na jedenfalls kam ich früh genug an und konnte noch das Reenactment sehen. Von unten Schüsse, von oben Schüsse. Oben Pikeniere und Arkebusiere. Rondartschiere, Hellebardiere und Arkebusiere die den Hang zu stürmen versuchen. Doppelsöldner mit Bidenhändern, die sie zurückschlagen.
Schöne Veranstaltung.
Na und Marco und Debbie liefen mir am Ende auch noch über den Weg, die es ja gerne auf solche Veranstaltungen zieht. Ihnen sei verziehen, das sie das Tanderadei mögen. Na und SIE sind KEINE Reenacter. Sie dürfen Ihre Brillen tragen.
Am Ende schlenderte ich dann doch noch über den Markt, und es gab auch paar authentische Stände, die mir gefallen haben. Ein paar Händler mit tollen Gewändern, Rüstungen, Schwertern. Auch traditionelle Handwerker, wie Seiler, Drechsler, Frauen beim Wolle spinnen. So sollte es sein.
Nach meiner Meinung kann man die Veranstaltung auf jeden Fall besuchen. Wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen.
Der Markt in Ebernburg ist besser, als viele pseudo Mittelaltermärkte, die ich kenne. Da kann man echt hinfahren. Er gehört sicherlich zu einem der besseren Märkte in Deutschland, alleine schon wegen der historischen Stätte.
Na und ich habe etwas durch die Landsknechte gelernt. Im nächsten Jahr, zu Peter und Paul muss ich dann mal nach Bretten. Genügend Darsteller gibt es da ja wohl.
Die mit Brillen kann ich dann ja persönlich anbellen.
Zum Ausklang noch ein paar Filmchen vom Turnier:
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