Dienstag, 31. Oktober 2017

Luther - Zwei Comics

Heute vor 500 Jahren nagelte ein Mönch seine  95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg.
Martin Luther leitete damit bewusst, unbewusst die Reformation ein und schrieb letztendlich… Weltgeschichte.
Bekommen sie jetzt keine Angst meine lieben Leser. Ich bin kein Theologe und werde jetzt nicht über Religionsgeschichte schreiben, geschweige denn irgendeine religiöse Glaubensrichtung bewerten.
Allerdings habe ich mich ja bisher mehrfach schon als Comic Fan geoutet, na und dann möchte ich Ihnen doch am heutigen 500. Reformationstag zwei Comics empfehlen, die sich genau mit dieser Thematik auseinandersetzen.
Comics als Stilmittel einzusetzen, funktioniert ja eigentlich immer, wenn man etwas bildgewaltiges, etwas einzigartiges darstellen will. Da bieten sich natürlich die Reformation und das Leben Luthers aus mehreren Gründen an.
Die Reformationszeit ist ja gewissermaßen ein Zeitalter der Transition. Es ist eine Schwellenepoche; der Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit.
Die alte Welt des Mittelalters mit ihren Rittern, Bauern und der allumfassenden katholischen Kirche, wird langsam abgelöst vom modernen Staat, dessen Stadtbürgertum sich immer mehr entwickelt, wo Banken und Händler immer wichtiger werden, und langsam beginnen den Staat zu beherrschen und die Macht von Adel und Klerus zu unterhöhlen, wo sogar Gläubige es wagen Fragen zu stellen, die nicht in das gängige Bild passen.
Ganz nebenbei, am Anfang fast noch unbemerkt, wird im Westen eine neue Welt entdeckt, wird Afrika umsegelt, werden Handelswege in ferne Länder eröffnet.
Unter militärischen Gesichtspunkten ist es die Zeit, wo die Landsknechte auftauchen. Wo Söldner das alte Feudalheer ablösen. Es ist die Zeit, wo Hauptleute eben dieser Landsknechte zu Kriegsunternehmern werden, ohne die der früher so stolze Ritter gar nichts mehr wäre.
Es ist die Zeit, wo aufständische Bauern durch die Lande Deutschlands ziehen, angeführt von Rittern, die sich – genau wie die von ihnen Angeführten – als Modernisierungsverlierer sehen. Als Menschen, denen etwas fehlt. Als Menschen, die Angst um ihre Zukunft haben. Um die irdische, aber auch um die in der Ewigkeit.
Die Hexenfeuer brannten in dieser Zeit noch stärker, als in den Jahrhunderten zuvor. Das Zeitalter der Aufklärung hatte man noch nicht erreicht, obwohl der Buchdruck begann sich Bahn zu brechen, und entscheidendes dazu beitrug, dass gerade auch die Schriften Luthers rasant verbreitet, und dadurch auch populär und richtungsweisend wurden.
Von der Kanzel der Kirchen und Kathedralen wurden das ewige Höllenfeuer und die Qualen im Fegefeuer besungen. Findige Kirchenvertreter verkauften Ablässe, Papiere, die gläubigen Menschen suggerierten, dass sie weniger Zeit im Fegefeuer verbringen werden. Das Fegefeuer, die bildlich dargestellte Vorhölle, die JEDER durchlaufen musste, der eine kürzer, der andere länger. Toll, wenn man die Zeit durch den Kauf eines Ablassbriefes verkürzen konnte.
Die Kranken und Behinderten waren in dieser Zeit verstoßen. Aussätzig. Auch Fremden stand man ablehnend gegenüber. Dass die Juden, die es in der europäischen Landschaft überall schwer hatten, verächtlich gemacht wurden, muss man im Grunde gar nicht erwähnen. Es war seit Jahrhunderten gelebte Normalität.
Diese Epoche ist die, in der Luther aufgewachsen ist und zwei Graphic Novels greifen die Thematik auf und bilden, in zwei völlig verschiedenen Stilen das Leben Luthers und die Zeit, in der er aufwuchs und lebte, ab.
Der eine Comic kommt bildgewaltig, bunt, kanllig daher. Irgendwie erinnert er mich in seinem Stil and die Zeichnungen des hier im Blog bereits beschriebenen Hauptmann Veits, der ja in der gleichen Epoche spielt.
https://thrifles.blogspot.de/2016/07/hauptmann-veit-ein-historiencomic-von.html
Für die Graphic Novel, „ Luther: Der Mönch, der die Welt aus den Angeln hob“, zeichnen als Texter Dr. Richard Melheim, genannt Rich, und als Illustratoren Sherwin Schwartzrock und Jonathan Koelsch verantwortlich.


Man könnte den Autor als Spezialisten, als Fachmann bezeichnen. Er ist evangelischer Pastor. Außerdem  war er Berater am Filmset „Luther“ mit Joseph Fiennes in der Hauptrolle.
Ihm gelingt es die Person Luthers in den historischen Kontext zu versetzen. Das heißt, dass der Comic jetzt nicht die Religionslehre Luthers in den Vordergrund stellt, und es Ziel ist diese zu vermitteln,  sondern es geht um den Menschen Luther, sein Leben und seine Ansichten.
Natürlich lernt der Leser einiges zur Religion; das liegt ja in der Natur der Sache. Aber der Comic soll jetzt nicht einen Katechismus ersetzen.
Das Leben Luthers wird auch in einen Kontext gestellt. Die erste Seite des Comic beginnt mit der Verbrennung von Jan Hus im Jahr 1415, die letzte Seite schließt mit im Jahr 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden. Beides Daten vor bzw. nach dem Leben Luthers, aber aufs engste mit ihm in den Auswirkungen verknüpft.
Genau wie im Film, den ich jedem, der ihn noch nicht kennt, auch empfehle, gelingt es dem Comic den Spannungsbogen zu entwickeln und vor allem ihn auch aufrecht zu halten.
Das Leben Luthers und seiner Zeitgenossen, die auch so gezeichnet sind, dass man sie direkt erkennt, orientiert sich doch der Comic an zeitgenössischen Gemälden, entfaltet sich in Bildern vor einem.
Man wird diesen Band auch nach dem ersten mal lesen wieder in die Hand nehmen, weil man bei den Bildern einfach auf Entdeckungstour gehen kann.
Im Grunde ist die dargestellte Geschichte ja bekannt:
Der erste Teil des Comic berichtet von der innerlichen Zerrissenheit des jungen Luther, vom Hadern gegenüber sich selbst und zu Gott. Seine Romreise findet ebenso Erwähnung, wie seine Arbeit an der Universität in Wittenberg. Kurfürst Friedrich, sein Schützer und Förderer, erkennt das Potential in dem jungen Mann. Luthers Predigten und Lehren ziehen Studenten an.
Hier in Wittenberg nagelt er die 95 Thesen an die Tür der Kirche. Der Disput beginnt. Mit dem Ablassprediger Tetzel, mit dem Mainzer Erzbischof, dem Kanzler des Alten Reiches, mit dem Papst. Luther wird nach Worms gerufen, um seine Lehren zu widerrufen. Als vogelfrei erklärt, verlässt er die Stadt, wird in einer Nacht- und Nebelaktion zur Wartburg in Sicherheit gebracht.
Hier übersetzt er die Bibel ins Deutsche.
Obwohl er selbst eingeschlossen ist, verbreiten sich seine Schriften immer mehr. Werden zu einer Bewegung, leiten die Reformation ein.
Man hat das Gefühl die Welt steht Kopf.
Privat kommt nach dem Exil auf der Wartburg eine große Veränderung auf ihn zu. Er ehelicht Katharina von Bora, eine ehemalige Nonne. Das Establishment schreit auf. Ein Mönch und eine Nonne. Ketzerei. Die Geburt des Antichrist wird kommen.
Doch Luther lebt weiter unter dem Schutz seines Kurfürsten. Letzterer, und ihm werden einige nachfolgen, erkennt die Vorteile sich von der offiziellen Kirche zu lösen. Die Kurfürsten stellen sich gegen den Kaiser. Auf dem Reichstag zu Augsburg am 20. Juni 1530 spürt Kaiser Karl V. den Widerstand: Kurfürst Johann von Sachsen, der Nachfolger Friedrichs, und Landgraf Philipp von Hessen, verweigern zunächst den Kniefall. Auf dem Reichstag kommt es dann zur Vorstellung und zur Disputation des Augsburger Bekentnisses. Wortführender ist hier der aus Bretten stammende Philipp Melanchthon, der anstelle des sich in Reichsacht befindlichen Luthers die lutherischen Lehren vorstellt.
Der Comic endet dann mit Luthers Tod, und final mit dem Augsburger Religionsfrieden, der im Jahr 1555 die lutherische Lehre anerkennt.
„Als das Mittelalter endete und ein stürmischer Mönch die Neuzeit mit den Worten einläutete: „Gott helfe mir...“ .... so heisst es auf dem Innencover des Comics.
Das kann der Comic wirklich in Bilder fassen.
Also meine unumschränkte Empfehlung.
Der Comic kostet 10,- €. Schade ist halt, dass er in einem relativ kleinen Format gehalten ist. Ungefähr die Größe eines etwas längeren, dafür aber leicht schmäleren, Osprey Bandes.
Ich hätte lieber 5,-€ mehr bezahlt. Wäre der Comic großformatiger und besser gebunden, wäre er noch wertiger und definitiv ein Comic Highlight auch in der Aufmachung.

(Hier die Verlagsseite. Die Comics sind natürlich auch überall im Handel zu bestellen).

Der zweite Comic, den ich ihnen empfehlen möchte, ist aus dem Haus editionfaust. Andreas Grosso Ciponte als Illustrator und Dacia Palmerino als Texterin haben diesen Comic geschaffen. Das Unternehmen wurde aus Mitteln der Evangelischen Landeskirche in Hessen und Nassau gefördert.



Dieser Comic ist im Stil völlig unterschiedlich zu dem zuerst beschriebenen. Er ist tatsächlich eine typische Graphic Novel, was vor allem im Stil der Zeichnungen begründet liegt. Die Zeichnungen wirken, als wenn sie einem Computerspiel entsprungen wären. Sie sind bewusst minimalistisch, weil die Botschaft des Textes im Vordergrund steht.



Der Zeichner reduziert seinen Zeichenstil. Hier ist der Mensch, vor allem Luther, im Mittelpunkt der zeichnerischen Darstellung. Der Betrachter des Comics hat auf manchen Seiten das Gefühl eine moderne Version von Hieronymus Bosch oder Lucas Cranach d. Älteren in den Händen zu halten. Gerade die Visionen Luthers auf der Wartburg, wo er sich in einem gefühlten Zweikampf mit dem Teufel befindet, werden beeindruckend, teilweise surreal dargestellt.
Wer einen minimalistischen, experimentellen, modernen, mehr computergenerierten Comicstil liebt, der sollte sich auch für diesen Comic entscheiden. Die Geschichte Luthers wird auch hier von der Geburt bis zum Tod mit ihren Höhepunkten treffend wiedererzählt.



Der Comic kostet 20,- €, hat dafür aber 160 Seiten. Sehr schön finde ich es, dass 18 Hauptakteure der Zeit am Ende des Comics nochmals im Portrait und mit einer Kurzbiographie vorgestellt werden.

(Hier die Verlagsseite. Die Comics sind natürlich auch überall im Handel zu bestellen).

Nebenbei sei bemerkt, dass es diesen Comic auch in englischer Sprache unter dem Titel „Renegade“ gibt.




Schauen sie sich beide Comics einfach mal an. Als Erstlektüre zur Thematik sind sie wirklich gut. Inwieweit Sie, meine lieben Leser, dann Ihr Wissen vertiefen wollen, das sei Ihnen überlassen.
Ich wünsche Ihnen allen heute einen schönen Feiertag, und insgeheim hoffe ich ja, dass die Politik sich doch noch einmal Gedanken macht den Reformationstag zu einem bundesweiten Feiertag zu erheben.
Es wäre auf jeden Fall passend.


P.S.: Die Comics würde ich ja bei meinem liebsten Comichändler, Ingo Stratmann aus Bielefeld, bestellen: http://www.gratiscomictag.de/shop/moderne-zeiten/
Es gibt sie natürlich auch bei den üblich Verdächtigen, dem großen A und anderen.

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