Wenn man sich als Normalbürger dem Denkmal nähert, haut einem erst einmal der Gedanke durch den Kopf: „Meine Güte. Das hätten auch die Nazis bauen können!“
Das ist zwar richtig unter dem einen Aspekt des Monumentalen, nur ist die Botschaft derjenigen, die die Gedenkstätte ursprünglich erbauen ließen, im Grunde eine andere.
Wie aber bei vielen nationalen Denkmälern ist deren Bedeutung immer wieder weiter- und uminterpretiert worden, was nicht immer vorteilhaft war.
Jetzt lebe ich in einer Gegend, die von wilhelminischer Arroganz und Sendungsbewusstsein ja geradezu trieft. In ein paar Kilometern Entfernung von meinem Wohnort reckt die Germania ihr Schwert drohend in Richtung Frankreich.
Aber nicht nur da.
Erst vor kurzem war ich am Deutschen Eck in Koblenz und dachte so bei mir … was ein Trümmer.
Den Ursprung des Namens, der sich daraus ableitet, dass hier an dieser Stelle des Zusammenflusses von Mosel und Rhein eine Ordenskomturei der Deutschordensritter ansässig war, erfasst der Besucher nur, wenn er sich die Geschichte hinter dem Denkmal anliest oder sie von einem Fremdenführer erfährt.
Ansonsten ist man doch eher immer noch von Propaganda beeinflusst: Aussagen wie der „Deutsche Rhein“, „Schutz und Trutze“ gegen den Erzfeind Frankreich fallen einem schlagartig ein.
Koblenz, während der napoleonischen Zeit natürlich französisches Staatsgebiet, VIVE L’EMPEREUR, jetzt im 19. Jahrhundert Preußen/Deutschland, wollte da wohl das Schwert symbolisch gegen Frankreich recken. Ein „Deutsches Eck“ am Zusammenfluss von Mosel und Rhein. Ewige, unumstößliche Botschaft gegen Frankreich.
Das denkt man unwillkürlich.
Was der charmante Rheinländer aber wirklich denkt, sieht man im nächsten Bild, denn das wichtigere Denkmal in Koblenz – ca. 300 m hinter dem Deutschen Eck – hat man auch nicht wegräumen lassen.
VIVE L‘EMPEREUR
Der Rheinländer war es einfach gewohnt unterschiedlichen Herren zu dienen, na und wenn diese Herren sogar Bürgerrechte und Freiheiten einführten, war das dann auch nicht so schlimm, dass man jetzt französisch sprechen sollte.
Ich bin heute noch stolz darauf, dass meine Vorfahren nach Ligny sich entschieden, stiften zu gehen, und Waterloo den Preußen überließen.
Pah.
Na und irgendwie musste ich dann in Leipzig auch an die eben genannten Monumente denken, als ich vor dem Völkerschlachtdenkmal stand.
Was ich bis dato nicht wusste, war die Tatsache, dass diese Denkmäler quasi alle aus der „gleichen Feder“ stammen. Kein Wunder, dass sie alle auch irgendwie ähnlich im Stil sind.
Zumindest von außen.
Der Architekt Bruno Schmitz konnte – und kann – sich rühmen, die drei größten Denkmäler in Deutschland gestaltet zu haben: Das Völkerschlachtdenkmal, das Kaiser Wilhelm Denkmal in Porta Westfalica und das Kyffhäuserdenkmal.
Aber auch das Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz ist von ihm.
Ahhhhhhhhhhhhhhhh. Deshalb!!! Dachte ich, als uns unsere Führerin im ebenfalls renovierten Stiftersaal die Förderer und Erbauer des Denkmals vorstellte.
Da ist Ernst Moritz Arndt, Dichter, Professor in Greifswald, Mitarbeiter des Freiherrn von Stein, Franzosenhasser und somit – je nach Blickwinkel – Freiheitskämpfer bzw. Verräter, der bereits kurz nach der Schlacht „eine Irminsuhl des deutschen Volkes, so groß wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom in Köln“ erbauen lassen wollte.
Die Leipziger hatten allerdings anfangs da keine wirkliche Lust drauf. Sie wissen warum?
Richtig.
Die Sachsen waren noch in der Schlacht die Verbündeten Napoleons, und standen somit – zusammen mit ihrem König – auf der Seite der Verlierer.
Warum sollte man also für ein Denkmal votieren, das einem riesengroß die eigene Niederlage tagtäglich vor Augen führte.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war diese Tatsache aber schon in Vergessenheit geraten. Nach dem Sieg von 1870/71 über das zweite Kaiserreich in Frankreich und nach der im Zusammenhang erfolgten Reichsgründung, war es geradezu IN dem Sieg über Frankreich zu gedenken.
Treibende Kraft der Finanzierung und Durchführung des Baus wurde Clemens Thieme, dem es bei dem Bau aber auch um etwas anderes ging: Das Denkmal sollte zwar „ein Ehrenmal für die gefallenen Helden, ein Ruhmesmahl für das deutsche Volk“, aber -und vor allem - auch, „ein Mahn- und Wahrzeichen für kommende Geschlechter“ sein.
Der Einbau der Krypta, die ja tatsächlich zum Nachdenken anregt, ist auf ihn zurückzuführen.
Die Bildhauer Christian Behrens und Franz Metzner führten dann die Feinarbeiten am Denkmal aus. Gerade die Arbeiten von Behrens und Metzner rücken bei näherem Hinsehen das Denkmal auch in ein besseres Licht.
Auf Behrens geht der stilisierte Erzengel Michael zurück.
Metzner schuf die „Schicksalsmasken“ mit den davor stehenden Kriegerfiguren in der Krypta, den Reiterfries in der Innenkuppel sowie die zwölf, fast 13 Meter hohen „Krieger der Freiheitswacht“ an der Außenkuppel.
Metzner wird der Kunstrichtung des Symbolismus zugeordnet, einer Kunstform, die starke Parallelen zum Jugendstil aufweist.
Daran erinnern auch die Arbeiten an der Außenfassade: Der gefallene französische Adler, das tote Pferd, der Krieger und der Adler, die gemeinsam gegen die Feinde stürmen. das erinnert stilistisch doch sehr an den Jugendstil.
Der Spruch „Gott mit uns“, heutzutage auch diffamiert, da er letztendlich auch auf den Koppelschlössern der Wehrmacht zu finden war, sollte damals aber die Hoffnung und den Dank des Siegers ausdrücken.
Es ist auffallend das das Innere der Kuppel würdevoller, sensibler, nachdenklicher, moderner daherkommt, als das trutzige Gebäude der Außenansicht, das wirkt, als wenn eine überdimensionale Glocke vom Himmel gefallen wäre. Auch der Vergleich eines in die Erde gerammten Schwertes – wie in Verdun – drängt sich einem auf.
Da zur Zeit das Wasserbecken, der „See der Tränen um die gefallenen Soldaten“, renoviert wird, geht der Spiegeleffekt verloren: Steht der Betrachter direkt vor dem Wasserbecken hat er tatsächlich die Illusion auf ein großes Kreuz zu blicken. Ein Blick, der von den ausführenden Künstlern auch so beabsichtigt war.
Der Grundstein für das Denkmal wurde am 18. Oktober 1898 gelegt, und es wurde feierlich zum 100. Jahrestag der Schlacht am 18. Oktober 1913 eingeweiht.
Ein Jahr später tobte bereits der erste Weltkrieg, in dem die alte Welt endgültig unterging.
Das Denkmal selbst besteht zu 90% aus Beton. Das kann man mittlerweile beeindruckend sehen, da in den Innenbereich ein Aufzugsschacht und eine Treppe gebaut wurden, über die man jetzt auch die Krypta und die Galerie erreichen kann.
Die Stützpfeiler sind beeindruckend und die gesamte Unterkonstruktion des Gebäudes ist auf einem Rundgang jetzt auch einsehbar. Dabei werden die Räume mit unterschiedlichem Licht illuminiert, was tatsächlich sehr stimmungsvoll wirkt.
Die Stimmung zu beschreiben, wenn man die Krypta betritt und nach oben in die Ruhmeshalle schaut, und seinen Blick dann weiter zur Kuppel führt, ist schwierig.
Man hat schon das Gefühl in einer Kathedrale zu stehen. Aber in keiner, die etwas verherrlicht, sondern in einer die zum Erinnern anregt.
Der Blick von der Sängergalerie ins Innere der Kuppel,
ist genauso beindruckend wie die Sicht von außen.
Dank der detaillierten Führung und dank der eigenen Urteilsfindung muss ich sagen, dass ich das Denkmal jetzt besser verstehe, und sein preußisch-deutschnationaler Charakter für mich jetzt eher in den Hintergrund rückt. Die Innengestaltung versöhnt auch wenn die vier Kolossalfiguren der Ruhmeshalle symbolisch für die klassischen Kriegstugenden stehen: Tapferkeit, Glaubensstärke, Volkskraft, Opferbereitschaft.
Aber im Grunde geht es im vollsten Sinne Thiemes um eine Mahnung.
Der Kern des Denkmals lautet Trauer NICHT Chauvinismus.
Deshalb sei an dieser Stelle auch allen Feinden der Demokratie, und allen, die versuchen solche Denkmäler zu instrumentalisieren, gesagt, dass sie sich irgendwo was Besseres suchen sollen:
Geht doch in die Antarktis und sucht Neuschwabenland, und lasst Euch auch bitte von da auf den Mond schießen.
Das wäre besser für Deutschland, Europa und die Welt.
Na und dass die Sachsen tief in ihrem Herzen schon charmant und witzig sind, beweist mir doch folgendes.
Sie haben es geschafft. Unbemerkt. Sie haben es geschafft, das Denkmal zu „entpreuzifizieren“. Direkt in der Krypta, unmittelbar zwischen den Todeswächtern steht ER.
ER.
L’EMPEREUR.
Man sollte es nicht glauben, aber er hat es wirklich geschafft hier Einzug zu halten, in das Monument, das den Sieg über ihn und seine Truppen feiern sollte.
Aber das schlechte Gewissen der ehemals treuen Verbündeten hat ihn wohl hier an diese Stelle zurückgeholt.
Heute ist auch er hier vertreten. Er und sein Schreibtisch.
Napoleon I., Kaiser der Franzosen.
VIVE L’EMPEREUR
Was soll ich sagen.
Ich könnte weinen vor Glück.
If you ever visit Leipzig, then I recommend you in any case, the visit to the Monument to the Battle of the Nations („Völkerschlachtdenkmal“).
But be sure to book a guided tour in your own language.
At first glance, the monument is martial, glorifying the war, almost like a building that could have come into existence in the Third Reich.
The style is typical for the late 19th century. The architect, Bruno Schmitz, child of his time.
The architect Bruno Schmitz could - and can boast - of having designed the three largest monuments in Germany: the Monument to the Battle of the Nations, the Kaiser Wilhelm Monument in Porta Westfalica and the Kyffhäuser Monument.
From him also comes the draft of the German Corner („Deutsches Eck“) in Koblenz.
Further names associated with the monument are Ernst Moritz Arndt, the idea generator, Clemens Thieme, the sponsor, and the sculptors Christian Behrens and Franz Metzner.
The latter are responsible for the elements reminiscent of Art Nouveau.
It is striking that the interior of the dome is more dignified, more sensitive, more thoughtful, more modern than the defiant exterior building, which looks as if an oversized bell had fallen from the sky. The comparison of a sword that has been rammed into the earth - as in Verdun - is also obvious.
Describing the mood as you enter the crypt and look up into the Hall of Fame, and then continue your gaze to the dome, is difficult.
One already has the feeling of standing in a cathedral. But in no one who glorifies something, but in one that stimulates remembrance.
Thanks to the detailed leadership and thanks to my own judgment, I must say that I now understand the monument better, and his Prussian-German character now tends to take a back seat to me. The interior design reconciles even if the four colossal figures of the Hall of Fame symbolically stand for the classic virtues of war: bravery, faith, popularity, sacrifice.
But basically, in the full sense of Thieme, it is a reminder.
Clemens Thieme, who was concerned with the construction, had an idea: The monument was indeed "a memorial to the fallen heroes, a feast of glory for the German people," but - and above all - also, "a reminder and landmark for coming generations ".
I think that modern Germany is fairer to the last claim today, and that's why I recommend everyone to look at this monument.
Only those who have once stood inside will recognize the core of the monument:
The core is called mourning NOT chauvinism.
An because of that core, it is - and will be - a part of modern Germany.