Donnerstag, 29. April 2010


Vom erhöhten Gelände der Oberburg aus blickten die Wachen herab ins Tal. An diesem Ende der Burg waren drei Männer aufgestellt, die sich in Rufweite voneinander befanden. Der „Zimmerer“, wie er von den Bandenmitgliedern genannt wurde, guckte angestrengt in die Dunkelheit. Na so hatte er sich das Räuberleben ja auch nicht vorgestellt. Ja gut; es gab natürlich Vorteile. Morgen krähte kein Hahn danach, was er tagsüber machen würde. Das Essen war besser als in vielen Monaten, wo er sich auf der Walz befunden hatte, denn nicht überall wurden Zimmerleute gebraucht.. Vor zwei Jahren hatte er seine Wanderschaft im Norden Deutschlands begonnen, und vor einem halben Jahr hatte es Ihn in diese Gegend verschlagen. Hier in dieser Landschaft war es besonders schwer für einen Fremdgeschriebenen Arbeit zu finden. War doch die Gegend berühmt durch seine Wälder, und jeder Zweite wusste mit Holz umzugehen.
In Kirn war es, wo er abends in der Gastwirtschaft saß, und von zwei Männern in ein Gespräch verwickelt wurde. Interessant war es; als er die beiden Männer erzählen hörte. Sie sprachen von Freiheit, von Müßiggang, Geld und Weibern. Na und beim dritten oder vierten Schoppen Wein mischte er sich in das Gespräch ein. „Ja Leute, wenn das alles so einfach und schön wäre; dann wäre ich natürlich gerne mit von der Partie“. Die anderen lachten daraufhin, klopften ihm auf die Schulter und begannen zu erzählen. Das war jetzt schon ein paar Wochen her, und im Großen und Ganzen hatten die beiden Spießgesellen, die jetzt auch an dieser Seite der Burg mit ihm Wache hielten, auch Recht gehabt. Nur diese Nächte auf Wache konnten dem „Zimmerer“ nicht wirklich gefallen.
Plötzlich vernahm er hinter sich Geräusche. Als er sich umdrehte sah er, wie die beiden anderen Posten auf ihn zukamen. „Und …, was sagst Du zu unserem Fang?“, begann der eine das Gespräch. „Welchen Fang meinst Du denn ?“, fragte der so angesprochene. „Na, das ist ja wieder klar“, erwiderte Georg Friedrich Schulz, der auch „der schlechte Freier“ genannt wurde „hast Du Dich wieder den ganzen Abend mit Deiner Liebsten im Heu herumgetrieben, oder was. Na manchmal frage ich mich wirklich, ob es richtig war, so einen Weiberhelden wie Dich in Kirn anzusprechen. Na und was das Schönste ist. Dann fangen wir mal einen ganzen Stall von Weibsleuten, und Du bekommst nichts mit …“ Schulz und sein Kumpan der „scheele Franz“ brachen in ein lautes Gelächter aus, während der „Zimmerer“ ziemlich verwirrt aus der Wäsche guckte. „Von was zum Teufel redet Ihr eigentlich. Stall von Weibern ??“ Der „scheele Franz“ verdrehte seine Augen noch mehr, als er das schon im Normalfall tat, breitete die Arme weit aus, und sagte: „ Na dann werden wir Dir altem Fischkopf jetzt mal ganz langsam erzählen, was da passiert ist“, begann er in seiner theatralischsten Art, wohl wissend, dass er den norddeutschen „Zimmerer“ damit ärgern konnte. Schulz merkte sofort, wie beim „Zimmerer“ die Zornesröte ins Gesicht stieg, und um Ärger zu vermeiden, griff er in das Gespräch ein. „Jetzt ist aber mal gut Scheeler. Ich will’s Dir erklären Zimmerer.
Gestern waren doch wieder die Meenzer unterwegs. Du weißt unsere Kameraden, die sich ja gerne selbst die Jakobiner, die Bringer der Freiheit, bla, bla, bla nennen. Na jedenfalls waren sie gestern unten im Tal, um zu sehen was auf der Hauptstraß nach Kreuznach denn so los sei. Außerdem hatten sie vom Schinderhannes den Auftrag die neue Wagenladung Särge am Wolfersweier in Empfang zu nehmen. Ihr wisst, der Transport unserer Schmuggelware inklusive der Waffen funktioniert ja richtig gut in diesen Dingern. Ist doch ein Großteil der Menschen hier viel zu fromm, um böses dahinter zu vermuten.
Na jedenfalls kommen sie auf den Hof und sehen wie eine Kutsche in rasender Fahrt losrast, die Türen noch offen, so dass sie hektisch hin und her schlagen.
Der Kutscher hatte uns wohl kommen sehen und sich für die Flucht entschieden. Seine Fahrgäste und das Gepäck, das neu verstaut werden sollte und noch im Hof des Gebäudes aufgeschichtet war, ließ er gerade hinter sich. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie unsere Leute geguckt haben. Vier Weibsbilder standen da, völlig entsetzt dreinblickend. Zwei richtig schöne, junge Dinger und zwei Mägde. Dazu noch der bißchen doof dreinschauende Kutschergehilfe, den der Fahrer ebenfalls zurückließ. Na zuerst wurden dann mal die Personen von unseren Männern in Schach gehalten. Ein Warnschuß bewirkte natürlich Wunder; nun gut; die Schweine nahmen Reißaus. Aber die überraschte Reisegruppe versprach hoch und heilig die Ruhe zu bewahren. Die Einzige, die ganz ruhig blieb und weiter an ihren Strümpfen strickte, war die alte Marie vom Hof da unten.
Na jedenfalls machten sich unsere Leute an die Kisten und Kästen, die da rumlagen. Ja und was fanden sie? Theaterzeug ! Hüte für Männer und Frauen – alle in diesem neumodischen italienischen Stil; einfach aber schick – wir tragen sie ja selbst seit heute morgen, oder was denkst Du woher die Dinger kommen, die wir jetzt auf dem Kopf haben ?? Besser als unsere alten Schlapphüte sind sie ja schon. Dann noch Bücher, Kostüme, Kleider und weiß Gott noch für einen Schnickschnack, den diese Leute brauchen.
Na und jetzt haltet Euch fest. Die eine Dame ist eine Schauspielerin – wie hat sie geflüstert, als sie unseren Hauptmann sah „ ... der echte Rinaldini ...“ – die andere eine Tänzerin. Na und wo kommen sie her ??? Jawohl aus der Hauptstadt, aus Paris. Die Tänzerin heißt Cäcilia Vestris und war auf dem Weg zum Präfekten nach Mainz, um vor ihm zu tanzen. Na mal gucken, was der Schinderhannes für ein Tänzchen mit Ihr veranstalten wird.“
„Und was soll das jetzt mit diesem Rin-Rin-Rinal ... was hast Du da gesagt ...“, fragte der Zimmerer nach. „Rinaldini“, antwortete Schulz. „Ich hatte ja auch noch nie davon gehört, aber da gibt es doch wirklich so einen Kerl irgendwo im thüringischen, der hat Geschichten über einen Räuberhauptmann erfunden; irgendwo in Italien. In Italien !! Dabei leben sie doch vor seiner Haustür.“
Nun mussten sich alle drei erst einmal vor Lachen schütteln, und als sie sich beruhigt hatten, erzählte Schulz weiter. „Na jedenfalls hat diese Schauspielerin, die zwar in Paris wohnte, allerdings auch aus Thüringen stammte, das Buch irgendwie bekommen. Da gibt es Verbindungen zwischen diesen Künstlern, von denen können wir wirklich nur träumen. So ..., und jetzt haltet Euch fest. Jedenfalls konnte unsere Schauspielerin die Frau des Ersten Konsuls, die sich ja gerne mit Künstlern umgibt, davon überzeugen, das Stück in Mainz vorführen zu können. Würde es dort gefallen, dann würde man an eine Übersetzung denken und es vielleicht in der Hauptstadt selbst vorführen.“
„Das scheinen ja wirklich wichtige Personen sein, die uns da gebracht wurden und gesungen haben sie ja wie die Vögel scheint es mir, sonst könntest Du ja nicht alles wissen...“, meinte der Zimmerer. „Na Du kennst doch unseren Hauptmann“, sagte der „Scheele“, der den Erzählungen bisher auch aufmerksam zugehört hatte. „Wenn der aus Frauen nicht rausbekommt, wer dann?“
Plötzlich hielten die drei Männer inne, und wirbelten herum. „Habt Ihr das auch gehört“, flüsterte der „Zimmerer“. „Ja“, antwortete Schulz. „Irgendwas bewegt sich da. Lasst uns ausschwärmen. Du Zimmerer nach links, Du Scheeler nach rechts.“
So schwärmten die drei vorsichtig auseinander, bis auf einmal der Scheele nach vorne sprang und etwas aus dem Gebüsch zerrte.
„Immer mit der Ruhe, immer mit der Ruhe“, sagte er zu dem zappelnden Etwas, das an seinem ausgestreckten Arm hing, doch es gab nicht Ruhe, bis, ja bis ein gezielter Fausthieb Ruhe einkehren ließ.
Nach einiger Zeit rappelte sich der junge Mann, denn um einen solchen handelte es sich, auf und stellte sich aufsässig vor die Räuber...

Ein Bild des Gefangenen



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