Sonntag, 8. Januar 2023

Museum Kalkriese - Quintili Vare, legiones redde!

Norddeutschland birgt immer noch eines der größten Geheimnisse der Geschichte.
Bekannt ist, dass im Jahr 9 n. Chr. 3 Legionen, die XVII., XVIII. und XIX., drei Alen (jeweils 500 bis 1000 Reiter), sechs Hilfskohorten und fast 5000 Reit-, Zug- und Tragtiere unter dem Kommando von Publius Quinctilius Varus in den germanischen Wäldern verschwanden und aufgerieben wurden.
15.000 bis 20.000 Mann wurden vernichtet.


Angeblich soll Kaiser Augustus so verzweifelt gewesen sein, dass er durch den Palast eilte und den Satz „Quintili Vare, legiones redde!“, also „Quinctiliius Varus, gib mir die Legionen zurück!“ in den Äther schrie.
Aber trotz dieser Niederlage war es nicht so, dass die Operationen gegen die germanischen Stämme von den Römern sofort aufgegeben wurden.
Tiberius, der Stiefsohn des Kaisers und sein späterer Nachfolger, kam an die Rheingrenze. Die Legionen wurden ersetzt. Die Gesamtzahl der Rheinlegionen wurde sogar von 6 auf 8 Legionen verstärkt.
Tiberius selbst führte dann – vermutlich ab dem Jahr 11 n.Chr. – auch wieder Legionen über den Rhein.
Zum Jahresende 12 n.Chr. übernahm dann der Neffe des Tiberius, Nero Claudius Germanicus, das Kommando an der Rheinfront.
Hier führte er zwischen 14 und 16 n. Chr. Feldzüge tief ins Landesinnere hinein.
Diese führten ihn auch an den Ort der Varusschlacht:
„„Mitten auf dem Feld (sah man) bleichende Knochen, zerstreut oder im Haufen, je nachdem die Soldaten die Flucht ergriffen oder Widerstand geleistet hatten. Daneben lagen zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, zugleich sah man an den Baumstümpfen vorn angenagelte Menschenschädel. In den benachbarten Hainen standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen ersten Ranges geschlachtet hatten. Und Überlebende dieser Niederlage, der Schlacht oder der Gefangenschaft entronnen, erzählten, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler geraubt worden; sie zeigten, wo dem Varus die erste Wunde beigebracht wurde, wo er durch seine unselige Rechte mit eigenem Stoß den Tod gefunden habe; auf welcher Erhöhung Arminius zum Heer gesprochen, wieviele Galgen für die Gefangenen, was für Martergruben es gegeben und wie er mit den Feldzeichen und Adlern voller Übermut seinen Spott getrieben habe.“ (Tacitus: Annales. 1, 61, 2–4)
Er ließ die Überreste der Kameraden beerdigen UND….
Vergaß es den Ort so zu lokalisieren, dass spätere Generationen ihn auch wiederauffinden würden!!!
Nun gut.
Warum sollte er das auch tun?!?
Die Varusschlacht war die größte Niederlage einer römischen Armee an dieser Front, und kein römischer Feldherr hätte es für notwendig befunden, hier eine Erinnerungskultur zu schaffen.
Darin liegt aber auch für uns heute das Problem.
Der Ort der Schlacht wurde bisher nicht eindeutig gefunden.




Forschergenerationen versuchten sich immer wieder an der Lokalisierung der Schlacht. Rekonstruierten im Professorenstübchen mögliche Marschwege der Legionen.
Das Wilhelminische Deutschland, stilisierte den Cherusker und ehemaligen römischen Berufssoldaten Arminius, zum Germanen Hermann. Der romanisierte Arminius wurde zum Sinnbild des germanischen Kämpfers, zum Ur-deutschen, der den Kampf gegen den verweichlichten Westen aufgenommen und zu einem Sieg geführt hatte.
Kein Wunder, dass in Detmold, dem damals vermuteten Ort der Varusschlacht, Hermann ein Denkmal errichtet wurde.
Zeitgeist eben.
Seit einigen Jahrzehnten ist dann allerdings eine Fundregion in den Mittelpunkt der Varusforschung gerückt worden, die nun heute den Anspruch erhebt, Ort der Varusschlacht zu sein.
Kalkriese, bei Bramsche. 




Eine Ortschaft in der Nähe von Osnabrück.


















Eines steht auf jeden Fall fest.
Die Funde in Kalkriese zeigen, dass hier tatsächlich Überreste einer Schlacht gefunden wurden, die im Zusammenhang mit der Varusschlacht stehen.
Es gibt aber Unterschiede in der Interpretation, in den Thesen, die hier Wissenschaftler aufgestellt haben.
Die einen sehen in Kalkriese wirklich den Ort der Varusschlacht. Andere sehen die Funde im Zusammenhang mit den Feldzügen des Germanicus.
Ob man das Geheimnis zu 100% irgendwann lüften kann, wird man sehen.
Nichtsdestotrotz empfehle ich jedem, der hier einmal an der Autobahn vorbeikommt, sich das dortige Museum anzuschauen.
Man kann hier quasi auf den Spuren der Schlacht wandeln.




































Sieht sich selbst einem Wall gegenüber.







Man kann also versuchen die Schlacht zu greifen.
Direkt vorneweg.
Mir ist es nicht gelungen.
Aber nicht, weil ich den Fundort Kalkriese komplett in Frage stelle, sondern, weil sich die Landschaft halt über die Jahrhunderte gänzlich verändert hat.
Da ist kein Urwald, kein Dickicht, hinter dem Germanenkrieger lauern und wo sich auf schmalen Pfaden ein bereits abgekämpfter römischer Heerwurm entlang schleppt, um schlussendlich in die aufgestellte Falle zu tappen.
Wir stehen da auf Kulturland mit ein paar Bäumen.
Mehr nicht.







Wäre ich General Patton, dann würde ich meinen Kopf zurücklehnen die Luft einatmen und spüren, ob das das richtige Schlachtfeld sei
(Sie kennen die Szene aus dem Film Patton, wo dieser in Karthago ist? Wenn nicht. Hier it is:
https://www.youtube.com/watch?v=l7ER08F9rGo )
Aber ich bin nicht General Patton.
Mir, wie den meisten Besuchern, bleibt somit nur die Option das Museum zu besuchen, um näheres zu erfahren.
Hier werden Fundstücke präsentiert.












Unter anderem auch die berühmte Reitermaske.


Moderne audiovisuelle Präsentationen informieren den Besucher.
Interessant fand ich die Art, wie die Probleme der römischen Armee mit Hilfe von kleinen Silberkugeln dargestellt werden.







„Dieses Modell vermittelt einen vereinfachten Eindruck vom Gang der Ereignisse. Die Kugeln versinnbildlichen die Römer, und die immer dichter werdenden Schlitze stehen für die wachsende Gefahr, also Hindernisse, Angriffe und Kämpfe im Engpass. Wie viele Legionäre konnten diesem Schrecken entkommen?“ (Text aus dem Museum)
Als Figurenliebhaber ist natürlich die Darstellung der Marschkolonne ein Highlight.

Man sieht, wie in der Enge sich die Formationen auflösen und somit angreifbar werden.



























So einen Heerwurm muss man erstmal unter Kontrolle bekommen.
Zwei kleine Modelle stehen für die Lebensformen der beiden feindlichen Kräfte.
Germanisches Langhaus vs. Römisches Stadthaus.




Zwei Welten, die hier aufeinandertreffen.
Der römische Staatsaufbau, mit dem Kaiser an der Spitze, und die germanischen Dorfgemeinschaften sind ebenfalls mit Miniaturen dargestellt.







Die Ausrüstung eines römischen Legionärs und eines germanischen Kriegers sind dann als Rekonstruktionen im Museum zu finden.










Empfehlenswert ist auch der Aussichtsturm, der in seinem Aufgang über die Arminius Rezeption quer über die Jahrhunderte informiert.







Wichtig ist der letzte Satz:
„Nach 1945 verlor der Arminiusmythos jegliche politische Bedeutung. Seitdem sind Arminius und die Varusschlacht nur noch von historischem Interesse. Doch das Beispiel zeigt, wie Geschichte mit Hilfe von Kunst und Literatur für politische Zwecke instrumentalisiert werden kann. Ob unsere heutigen Darstellungen objektiver sind, wird sich zeigen. Nur eines darf man schon jetzt festhalten: Als politische Leitfigur hat Arminius ausgedient (und das ist gut so, oder?)“
Ich sehe das genauso.
 
 
Northern Germany still holds one of history's greatest mysteries.
It is known that in the year 9 AD 3 legions, the XVII., XVIII. and XIX., three Alae (500 to 1000 horsemen each), six auxiliary cohorts and almost 5000 mounts, draft and pack animals under the command of Publius Quinctilius Varus disappeared in the Germanic forests and were wiped out.
15,000 to 20,000 men were killed.
Emperor Augustus is said to have been so desperate that he rushed through the palace and shouted the sentence "Quintili Vare, legiones redde!", ie "Quinctiliius Varus, give me the legions back!" into the ether.
But despite this defeat, it was not as if operations against the Germanic tribes were immediately abandoned by the Romans.
Tiberius, the emperor's stepson and his later successor, came to the Rhine border. The legions have been replaced. The total number of Rhine legions was even increased from 6 to 8 legions.
Tiberius himself then led - probably from the year 11 AD. – again legions across the Rhine.
At the end of the year 12 AD. Tiberius' nephew, Nero Claudius Germanicus, then took command of the Rhine front.
Here he led campaigns deep into the interior of the country between 14 and 16 AD.
These also led him to the place of the Varus battle:
"In the midst of the field (one saw) paling bones, scattered or in heaps, according as the soldiers fled or resisted. Beside them lay broken weapons and the skeletons of horses, and at the same time one could see human skulls nailed to the front of the tree stumps. In the neighboring groves stood the altars of the barbarians, at which they had slaughtered the tribunes and centurions of the first rank. And survivors of that defeat, escaping battle or captivity, told that here the legates had fallen, there the eagles had been stolen; they showed where the first wound was inflicted on Varus, where he had found death with his own blow through his unfortunate right hand; On what elevation did Arminius speak to the army, how many gallows for the prisoners, what pits of torment there were and how he mocked him with the standards and eagles full of arrogance.” (Tacitus: Annales. 1, 61, 2-4)
He had the remains of his comrades buried AND….
Forgot to locate the place so future generations would find it again!!!
Well.
Why should he?!?
The Varus Battle was the greatest defeat of a Roman army on this front, and no Roman general would have found it necessary to create a culture of remembrance here.
But therein lies the problem for us today.
The location of the battle has not been unequivocally found so far.
Generations of researchers tried again and again to localize the battle. Reconstructed possible marching routes of the legions in the professor's room.
The Wilhelminian Germany, stylized the Cherusci and former Roman professional soldier Arminius, to the Germanic Hermann. „Hermann the german“. The romanized Arminius so became the symbol of the Germanic fighter, the  typic German, who had taken up the fight against the weakened West and led his people to victory.
No wonder that a memorial to Hermann was erected in Detmold, the place where the Varus Battle was supposed to have taken place at the time.
For several decades, however, Varus research has focused on a find region that now claims to be the site of the Varus Battle.
Kalkriese, near Bramsche. A village near Osnabrück.
One thing is certain.
The finds in Kalkriese show that the remains of a battle related to the Varus Battle were actually found here.
But there are differences in the interpretation, in the theses that scientists have put forward here.
Some really see Kalkriese as the site of the Varus Battle. Others see the finds in connection with the campaigns of Germanicus.
Whether the secret can be 100% revealed at some point remains to be seen.
Nonetheless, I recommend anyone to visit the museum there, if he is in the vicinity oft he site.
You can practically walk in the footsteps of the battle here.
Faces himself against a wall.
So you can try to grab the battle.
But, I myself, I didn't succeed.
But not because I completely question the Kalkriese site, but because the landscape has changed completely over the centuries.
There is no jungle, no thicket, behind which Germanic warriors lurk and where an already exhausted Roman army worm drags itself along narrow paths, only to finally fall into the set trap.
We're standing on cultivated land with a few trees.
Not more.
If I were General Patton, I would lay my head back, breathe in the air and feel if this was the right battlefield
(You know the scene from the movie Patton where he is in Carthage? If not. Here it is:
https://www.youtube.com/watch?v=l7ER08F9rGo  )
But I'm not General Patton.
For me, like most visitors, the only option left is to visit the museum to find out more.
Findings are presented here.
Among other things, the famous equestrian mask.
Modern audiovisual presentations inform the visitor.
I found it interesting the way the problems of the Roman army were presented with the help of small silver bullets.
“This model gives a simplified impression of the course of events. The balls symbolize the Romans, and the increasingly dense slits stand for the growing danger, i.e. obstacles, attacks and fights in the bottleneck. How many legionnaires escaped this terror?” (Text from the museum)
As a figure lover, the depiction of the marching column is of course a highlight.
You can see how the formations dissolve in the narrowness and thus become vulnerable.
You have to get an armyworm like that under control first.
Two small models represent the life forms of the two enemy forces.
Germanic longhouse vs. Roman townhouse.
Two worlds that meet here.
The Roman state structure, with the emperor at the top, and the Germanic village communities are also shown in miniature.
The equipment of a Roman legionnaire and a Germanic warrior can then be found as reconstructions in the museum.
I also recommend the lookout tower, which provides information on the Arminius reception across the centuries.
The last sentence is important:
“After 1945 the Arminius myth lost all political significance. Since then, Arminius and the Varus Battle have only been of historical interest. But the example shows how history can be exploited for political purposes with the help of art and literature. Whether our current representations are more objective remains to be seen. There's just one thing we can say right now: Arminius has had its day as a leading political figure (and that's a good thing, isn't it?)"
I agree with that.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen