Sonntag, 8. Mai 2022

Hougoumont

Viele Jahre war es für die meisten Geschichtsinteressierten ein Traum.
Einmal auf dem Schlachtfeld von Waterloo durch den Gutshof von Hougoumont schlendern.
Einige Besucher wollten sich mit diesem Gefühl nicht zufriedengeben.
Die ignorierten die Privatsphäre des damaligen Besitzers und versuchten sich heimlich auf das Grundstück zu schleichen.
Die meisten wählten damals den Weg des französischen Sturmtrupps von 1815 und versuchten über das ehemalige Nordtor auf das Gelände zu kommen.
Ein Horror für den Pächter.
Seit 2015 ist dies nicht mehr notwendig. Der Hof wurde in ein Museum verwandelt, dessen Besuch auf jeden Fall lohnt.


Ich hatte schon einmal an dieser Stelle über das neue Erlebnis geschrieben:
Geschichte als Hobby: Sehen - Lesen - Spielen: Hougoumont - Waterloo 2016 (thrifles.blogspot.com)
Heute möchte ich einmal genauer auf die wichtigsten Besichtigungspunkte eingehen, die Sie als Besucher hier erwarten.
Zur Illustration verwende ich an dieser Stelle das neue 3D gedruckte Modell von Jens Najewitz.
Moritz Büsgen, Hauptmann im 1. Bataillon des 2. Nassauischen Infanterieregiments hat eine genaue Beschreibung des Gutshofes vor der Schlacht der Nachwelt hinterlassen:
„Dieses Rechteck war innen in zwei Teile gegliedert; ein Wohnhaus und einen Torbogen mit einem Tor. Der obere Teil bestand aus dem großen Wohnhaus und den Gebäuden des Gutshofs, der untere Teil aus den Ställen und Scheunen. Jeder Abschnitt hatte ein großes Tor, wobei das obere Tor den feindlichen Positionen gegenüber lag, und das untere Tor in entgegengesetzter Richtung…An den Gutshof grenzte der Gemüsegarten, der vorn und links durch eine fünf bis sechs Fuß hohe Mauer und hinten durch eine Hecke umschlossen war. Die Mauer lag vor einem Wald mit hohen Bäumen und war wenige Schritte davor durch ein nicht sehr dichtes Gebüsch verborgen. Links vom Gemüsegarten befand sich ein Obstgarten, aber ohne Zugang zum Garten. Vorn war dieser Obstgarten von einer Hecke eingeschlossen, die entlang der Gartenmauer wuchs, nach hinten war er aber geöffnet. Die Gebäude und der Gemüsegarten waren vom Feind durch den Wald vorne verdeckt.“







Der heutige Zustand des Gutshofs steht in direktem Zusammenhang mit den Ereignissen der Schlacht.
Gegen drei Uhr nachmittags am 18. Juni 1815 begann der Beschuss des Hofes mit Mörsergranaten, also nachdem schon einige Sturmangriffe gescheitert waren.
Der Beschuss setzte die meisten Gebäude in Brand, die dann nach der Schlacht nicht mehr komplett aufgebaut wurden.
Vor allem der Verlust des schlossartigen Gebäudes in der Mitte von Hougoumont ist ein wirklicher Verlust (Punkt 1 im Bild).
Vom ehemaligen, im Jahr 1815, repräsentativen Gebäudekomplex, stehen heute nur noch 3 Gebäude.
Die Südfront wird durch das sogenannte Pförtnerhaus (Punkt 2) und die umlaufenden Mauern dominiert.
Hier an dieser Stelle fanden während der Schlacht die schwersten Kampfhandlungen statt.
Die französischen Angriffskolonnen versuchten an dieser Stelle durchzubrechen, das Tor zu stürmen oder über die Mauern zu kommen. Über diese hinweg, und durch improvisierte Schützenlöcher hindurch, schossen Einheiten der englischen Garde, aber auch andere Soldaten der Verbündeten, ununterbrochen in diese Angreifer hinein.
In Hougoumont selbst kämpften Soldaten aus drei britischen Regimentern.
Die beiden leichten Kompanien der First Foot Guards (leichte Kompaien des 2. und 3. Bataillons der 1. Foot Guards) kämpften im Obstgarten unter Führung von Lt.-Colonel Lord Saltoun. Der Umkreis des Gutshofs und des Gartens wurde von Soldaten der Coldstream Guards verteidigt. Diese standen unter dem Kommando von Lt.-Colonel James McDonell und Lt.-Colonel Alexander Woodford. Die 3rd Foot Guards (Scots Guards) kämpften im Obstgarten und an der Westflanke unter dem Kommando von Colonel Francis Hepburn und Lt.-Colonel Francis Home.
Insgesamt wurden im Verlauf der Schlacht 18. Kompanien mit über 2200 Mann der englischen Garde in Hougoumont eingesetzt.
 
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich direkt am Pförtnerhaus auch die Gedenktafeln der Garden befinden.






Quasi um die Ecke, an der Mauer, die sich dann zum Garten verlängert, finden Sie die Gedenktafel für Brigadegeneral Baudin, der hier bei Hougoumont die französische 1. Brigade der 6. Infanteriedivision kommandierte und fiel. (Punkt 3)
Im Innern des Gehöftes finden Sie eine relativ neue Gedenktafel aus dem Jahr 2015, und zwar in deutscher Sprache. Hier würdigt S.K.H. Henri, der Großherzog von Luxemburg, die bei Hougoumont eingesetzten Nassauer Truppen. Der Großherzog ist dynastisch gesehen nominell auch der Herzog von Nassau. (Punkt 4)
Soldaten aus Hannover (1. Komp. Feldjägerkorps, 100 Mann, Teile der Bataillone Grubenhagen und Lüneburg, je 50 Mann) und das 1. Bataillon des 2. herzoglich nassauische Infanterieregiments (insgesamt 810 Mann) waren bereits zu Beginn der Schlacht im Wald direkt vor dem Südtor, aber auch im Gebäudekomplex sowie im Garten eingesetzt.
Insgesamt waren um 11:30 Uhr in Hougoumont 1210 Mann stationiert.
Neben den Deutschen noch die Lt.Coy 2/Coldstream Guards, Lt.Coy 2/3 Guards mit jeweils 100 Mann. Saltoun war mit seinen First Guards um diese Zeit nicht im Obstgarten. Wellington hatte sie zurückbeordert. Gegen 12:15 besetzten sie dann wieder den Obstgarten.
Der Anteil der deutschen Truppen in Hougoumont war also erheblich.
Gegen Ende der Schlacht unterstützten dann noch Einheiten aus Braunschweig, Hannover (Bat. Salzgitter) und die KGL die Verteidiger und halfen bei der Vertreibung der Franzosen aus dem Obstgarten und dem Wald
An den Resten der Kapelle im Innern des Gebäudekomplexes findet sich das historische Holzkreuz aus dem 16. Jahrhundert, das erstaunlicherweise fast unversehrt den Brand von Hougoumont überstanden hatte. 2009 restauriert, wurde es 2011 gestohlen, und 2014 in einer Garage in Braine-L’Alleud wiedergefunden.


Heute ist es wieder an seinem angestammten Platz zu finden. (Punkt 5)
An der großen Scheune, die heute als Museum genutzt wird, findet sich die Gedenktafel des Royal Waggon Trains. (Punkt 6)



Ohne die aufopfernde Leistung der Männer des RWT wäre eine Versorgung Hougoumonts mit Munition nicht möglich gewesen. Legendär ist in diesem Zusammenhang der Einsatz des Gefreiten Joseph Brewster, der am späten Nachmittag des 18. Juni dringend benötigte Munition unter feindlichem Beschuss sprichwörtlich in letzter Minute durch das Nordtor brachte.
Hier am Nordtor, das nebenbei bemerkt wieder im Look von 1815 rekonstruiert wurde, findet sich ein sehr großes Monument. (Punkt 7 und 8)


Mit diesem Denkmal wird des kritischen Moments gedacht, als es einem französischen Stoßtrupp gelang durch das Nordtor in das Gehöft einzubrechen. Die Angreifer wurden allerdings von den Verteidigern gestoppt, und bis auf den Trommlerjungen getötet.
Das Denkmal ist übrigens auch im übertragenen Sinne zu verstehen.
Die Inschrift „Closing the gates on war” soll auch anzeigen, dass mit dem Ende der Schlacht von Waterloo, die Ära der napoleonischen Kriege und die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Frankreich und England beendet wurde.
Der ehemals im flämischen Stil gestaltete repräsentative Lustgarten ist seit der Schlacht nur noch eine Wiese. (Punkt 9)
Im östlichen Teil findet der heutige Besucher das französische Ehrenmal „Aux soldats francais morts à Hougoumont.“ (Punkt 10)


Der Obstgarten, heute als solcher nicht mehr erkennbar, schloss östlich an dieses Gartenstück an. Dieses Grundstück war ca. 275 qm groß, mit ausgewachsenen Obstbäumen bestückt, und auf drei Seiten von dichten Hecken umsäumt. (Punkt 11)
Nachdem die Angriffe der Franzosen auf die Tore gescheitert waren, versuchte man an dieser Stelle zu einer Entscheidung zu kommen.
Zweimal schlugen die Franzosen die First und Third Guards an dieser Stelle zurück, wurden dann aber durch das Feuer der Coldstream Guards, die hinter der Mauer des Obstgartens standen, aufgehalten.
„Erneut wurden wir auf dem Flügel umgangen…und zurückgedrängt…und erneut erwiesen uns die Coldstream einen guten Dienst. Diese Schüsse waren die eigentliche Stärke unserer Position… Während dieser Zeit war mir nicht bewusst, was andernorts vor sich ging.“ (Colonel Francis Hepburn, 3rd Guards).
An der Gartenmauer findet sich noch eine Gedenktafel zu Ehren Thomas Crauford’s, 3rd Guards, der in Hougoumont fiel. (Punkt 12)


Zwei Gräbern werden Sie auch begegnen, wenn Sie als Besucher durch den Garten schlendern. 
(Punkt 13)



Eines von Sergeant Major Edward Cotton, 7th Hussars, der die Schlacht überlebte, und sich nach dem Krieg in Mont Saint Jean niederließ, ein Museum betrieb und seine Erlebnisse in seinem Buch „Eine Stimme aus Waterloo“ niederschrieb.
Der andere Grabstein gedenkt Major John Lucie Blackman, Coldstream Guards, der gegen Ende der Schlacht hier in Hougoumont fiel, und dann auch hier begraben wurde.
Bei den beiden Gräbern handelt es sich um Ausnahmen.
Generell wurden die Gefallenen der Schlacht bei Waterloo in Massengräbern beigesetzt; einige Soldaten auf Friedhöfen der Umgebung.
Halten Sie also die Augen beim nächsten Besuch in Hougoumont auf. Dann entdecken Sie die hier im Bericht beschriebenen Gedenktafeln und Denkmäler.



 
Der Bericht basiert auf einer Broschüre des Museums in Hougoumont, die auch in deutscher Sprache erhältlich ist.



 
 
For many years it was a dream for most history buffs.
Stroll around the Hougoumont estate on the Waterloo battlefield.
Some visitors did not want to be satisfied with this feeling.
They ignored the privacy of the then owner and tried to sneak into the property secretly.
At that time, most of them chose the route taken by the French soldiers of 1815 and tried to get onto the site via the former north gate.
A horror for the tenant.
Since 2015 this is no longer necessary. The farm has been turned into a museum, which is definitely worth a visit.
I had previously written about the new experience here:
Geschichte als Hobby: Sehen - Lesen - Spielen: Hougoumont - Waterloo 2016 (thrifles.blogspot.com)
 
Today I would like to go into more detail about the most important sights that await you as a visitor here.
At this point I use the new 3D printed model by Jens Najewitz for illustration.
Moritz Büsgen, Captain in the 1st Battalion of the 2nd Nassau Infantry Regiment, left a detailed description of the manor before the battle for posterity:
“This rectangle was internally divided into two parts; a dwelling house and an archway with a gate. The upper part consisted of the large house and the buildings of the manor, the lower part of the stables and barns. Each section had a large gate, with the upper gate facing the enemy positions, and the lower gate facing the opposite direction... The manor house was bordered by the vegetable garden, which was enclosed on the front and left by a wall five to six feet high and on the back by a hedge was. The wall lay in front of a forest with tall trees and was hidden a few steps from it by a not very dense bush. To the left of the vegetable garden was an orchard, but with no access to the garden. This orchard was enclosed at the front by a hedge that grew along the garden wall, but was open to the rear. The buildings and the vegetable garden were hidden from the enemy by the forest in front.”
Today's condition of the manor is directly related to the events of the battle.
Around three o'clock in the afternoon on June 18, 1815, the shelling of the yard with mortar shells began, after several assault attacks had already failed.
The shelling set fire to most of the buildings, which were not fully rebuilt after the battle.
In particular, the loss of the castle-like building in the middle of Hougoumont is a real loss.
From the former representative building complex in 1815, only 3 buildings are left today.
The southern front is dominated by the so-called gatehouse and the surrounding walls.
It was here at this point that the heaviest fighting took place during the battle.
The French attack columns tried to break through at this point, to storm the gate or to get over the walls. Across these, and through improvised foxholes, units of the English Guard, but also other Allied soldiers, fired continuously at these attackers.
In Hougoumont itself, soldiers from three British regiments fought.
The two light companies of the First Foot Guards (light companies of the 2nd and 3rd Battalions of the 1st Foot Guards) fought in the orchard led by Lt.-Colonel Lord Saltoun. The perimeter of the manor and garden was defended by Coldstream Guards soldiers. These were under the command of Lt.-Colonel James McDonell and Lt.-Colonel Alexander Woodford. The 3rd Foot Guards (Scots Guards) fought in the orchard and west flank under the command of Colonel Francis Hepburn and Lt.-Colonel Francis Home.
A total of 18 companies with over 2,200 men of the English Guards were deployed in Hougoumont during the course of the battle.
So it is not surprising that the commemorative plaques of the guards are located directly at the gatehouse.
Almost around the corner, on the wall, which then extends to the garden, you will find the memorial plaque for Brigadier General Baudin, who commanded the French 1st Brigade of the 6th Infantry Division here at Hougoumont and died.
Inside the homestead you will find a relatively recent commemorative plaque from 2015, in German. Here, H.R.H. Henri, the Grand Duke of Luxembourg, the Nassau troops deployed at Hougoumont. The Grand Duke is also nominally the Duke of Nassau dynastically.
Soldiers from Hanover (1st company Feldjägerkorps, 100 men, parts of the Grubenhagen and Lüneburg battalions, 50 men each) and the 1st battalion of the 2nd ducal Nassau infantry regiment (a total of 810 men) were right in front of the forest at the beginning of the battle the south gate, but also in the building complex and in the garden.
A total of 1,210 men were stationed at Hougoumont at 11:30 a.m.
In addition to the Germans, the Lt.Coy 2/Coldstream Guards, Lt.Coy 2/3 Guards with 100 men each. Saltoun was not in the orchard with his First Guards at this time. Wellington had ordered them back. At around 12:15 they occupied the orchard again.
So the proportion of German troops in Hougoumont was significant.
Towards the end of the battle, units from Braunschweig, Hanover (Bat. Salzgitter) and the KGL supported the defenders and helped drive the French out of the orchard and forest
On the remains of the chapel inside the building complex is the historic wooden cross from the 16th century, which surprisingly survived the Hougoumont fire almost unscathed. Restored in 2009, it was stolen in 2011 and found in a garage in Braine-L'Alleud in 2014.
Today it is back at its original place.
The Royal Waggon Train plaque is attached to the large barn, which is now a museum.
It would not have been possible to supply Hougoumont with ammunition without the self-sacrificing efforts of the RWT men. Legendary in this context is the deployment of Private Joseph Brewster, who brought urgently needed ammunition through the north gate at the last minute in the late afternoon of June 18 under enemy fire.
Here at the north gate, which by the way was reconstructed in the look of 1815, there is a very large monument.
This memorial commemorates the critical moment when a French raiding party managed to break into the homestead through the north gate. The attackers, however, were stopped by the defenders and killed except for the drummer boy.
Incidentally, the monument can also be understood in a figurative sense.
The inscription "Closing the gates on war" is also intended to indicate that with the end of the Battle of Waterloo, the era of the Napoleonic Wars and the centuries-old enmity between France and England came to an end.
The representative garden, formerly designed in the Flemish style, has only been a meadow since the battle. In the eastern part, today's visitor will find the French memorial "Aux soldats francais morts à Hougoumont."
The orchard, no longer recognizable as such today, adjoined this piece of garden to the east. This property was about 275 square meters, stocked with mature fruit trees and surrounded on three sides by dense hedges.
After the French attacks on the gates had failed, an attempt was made to come to a decision at this point.
Twice the French repulsed the First and Third Guards at this point, but were then stopped by fire from the Coldstream Guards stationed behind the orchard wall.
"Again we were bypassed on the wing...and pushed back...and again the Coldstreams did us a good service. Those shots were the real strength of our position...During that time I was unaware of what was going on elsewhere.” (Colonel Francis Hepburn, 3rd Guards).
On the garden wall there is still a plaque in honor of Thomas Crauford, 3rd Guards, who fell at Hougoumont.
You will also come across two graves when you stroll through the garden as a visitor.
One of Sergeant Major Edward Cotton, 7th Hussars, who survived the battle and settled in Mont Saint Jean after the war, ran a museum and wrote of his experiences in his book A Voice from Waterloo.
The other headstone commemorates Major John Lucie Blackman, Coldstream Guards, who died here at Hougoumont towards the end of the battle and was then buried here as well.
The two graves are exceptions.
In general, the fallen of the Battle of Waterloo were buried in mass graves; some soldiers in cemeteries in the area.
So keep your eyes peeled the next time you visit Hougoumont. Then discover the plaques and monuments described here in the report.
 
The report is based on a brochure from the museum in Hougoumont, which is also available in German language.

1 Kommentar:

  1. Toller Blogartikel. Ich war irgendwann mal in Hougomont auf der Durchfahrt. Komischerweise nie auf nem Event.

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