Donnerstag, 26. Oktober 2017

Passchendaele - Heute vor 100 Jahren

„Die wahrheitsgemäße Schilderung dieser Schlacht wird stets eine Erzählung des Grauens bleiben. In den Herzen vieler, die sich daran erinnern, muss für alle Zeiten der Zorn darüber brennen, dass auf diesem Stückchen Erde eine solche Pein geduldet werden konnte.“
(Duff Cooper, 1. Viscount Norwich)



5:30. Heute vor 100 Jahren.
Noch ist es still in der flandrischen Ebene.
Natürlich sterben Menschen. Sie liegen im Matsch. In Trichtern, in Gräben.


Hier in der wassergefüllten, matschigen, apokalyptisch wirkenden Erde Flanderns.







„In a foreign field he lay
Lonely soldier, unknown grave
On his dying words he prays….“

„Many soldiers eighteen years
 Drown in mud, no more tears
 Surely a war no-one can win
 Killing time about to begin…“

Aber das ist hier nichts Besonderes. Das ist Normalität.
Dennoch. Das große Massensterben rückt bereits heran.
Unaufhaltbar.
Noch herrscht der Zustand den Remarque tituliert hat:
„Im Westen nichts Neues.“
Aber nicht mehr lange …



5:40. Heute vor 100 Jahren.

„Laying low in a blood filled trench
Kill time 'til my very own death
On my face I can feel the falling rain
Never see my friends again…“

Jetzt bricht die Hölle los. Kanonen beginnen zu donnern. Das Trommelfeuer pflügt sich durch die feindlichen Stellungen. Hinter dem Schutzteppich sollen die Angreifer vorrücken.



„Relive all that he's been through
 Last communion of his soul
 Rust your bullets with his tears
 Let me tell you 'bout his years
 In the smoke, in the mud and lead
 Smell the fear and the feeling of dread
 Soon be time to go over the wall
 Rapid fire and end of us all.“

Die Artillerie schießt nach der bekannten Methode: Feuerwalze.
Ein Salvenfeuer, das sich in bestimmten Abständen immer weiter nach vorne verlagert.
Dahinter sollen die Angreifer in einem trügerischen Schutz nach vorne gehen.
Vorne eine Wand aus Granaten, Feuer und Tod. Dahinter die Infanterie.







„Whistles, shouts and more gun fire
 Lifeless bodies hang on barbed wire
 Battlefield nothing but a bloody tomb
 Be reunited with my dead friends soon…“

Die ANZAC Truppen waren kurz zuvor abgelöst worden. Jetzt stehen Kanadier hier an dieser Stelle. Wieder Truppen des Commonwealth, die an der Seite von britischen Infanteriedivisionen den entscheidenden Schlag führen sollen.



„… Home, far away
 From the war, a chance to live again
 Home, far away
 But the war, no chance to live again…“

Hier in Belgien. In Flandern.
Die Offensive, die am 26. Oktober 1917 wieder aufgenommen wurde, war Teil der sogenannten Dritten Flandernschlacht.
Das Sterben hatte bereits am 31. Juli begonnen. Es lief in mehreren  Phasen ab. Für jede Phase standen Namen von Ortschaften. Quasi symbolisch.
Messines, Pilkem, Langemarck, Menen und jetzt bereits zum zweiten Mal …

PASSCHENDAELE


Ziel war auch hier das, was IMMER das Ziel war.
In Verdun, an der Somme, in den Flandernschlachten, in den Vogesen, an der Alpenfront etc. etc.
Der Durchbruch an der Westfront.
DURCHBRUCH.
Und wie überall sonstwo auch wurden die relativ geringen Geländegewinne (die 130 km², die besetzt werden konnten,  gelten sogar als bedeutend)unter enormen Verlusten von Soldaten und Material erkauft.
Und das auf beiden Seiten der Frontlinie:




„The bodies of ours and our foes
 The sea of death it overflows
 In no man's land, God only knows
 Into jaws of death we go.
 Crucified as if on a cross
 Allied troops they mourn their loss
 German war propaganda machine
 Such before has never been seen…“

Vor Passchendaele hatten am 18. Oktober 1917 die 1. kanadische Division (General MacDonell) und die 2. Division (General Turner) ihre Stellungen eingenommen. Zwei weitere Divisionen der Kanadier, die 3. (General Lipset) und die 4. (General David Watson) standen hinter ihnen, um nachzustoßen und bei erfolgtem Durchbruch die Stellung zu erweitern.

„Home, far away
 From the war, a chance to live again
 Home, far away
 But the war, no chance to live again…“

Die Kanadier galten als sehr gute Soldaten und hatten sich bisher in verschiedenen Einsätzen an der Front bewährt. Nun standen sie hier an dieser Stelle. Ihr Kommandeur General Arthur Currie erklärte gegenüber General Haig, dass er mit Verlusten in Höhe von 16.000 Soldaten rechnen würde. Haig bestand dennoch auf dem Angriff.

„Swear I heard the angels cry
 Pray to god no more may die
 So that people know the truth
 Tell the tale of Paschendale
 Cruelty has a human heart
 Every man does play his part
 Terror of the men we kill
 The human heart is hungry still…“

Im Norden wurden die Kanadier vom englischen XIX. Korps, im Süden vom X. Korps unterstützt.
Ihnen lagen auf deutscher Seite die 5. bayrische Reserve, sowie die 239. und 111. Division gegenüber (Gruppe Staden).
Dazu noch um Ypern herum die 11. und die 238. Division. Hier befand sich die 11. bayerische Division in Reserve.
Nach heftigen kämpfen konnte Passchendaele am 30. Oktober erobert werden.


(Ypern)


(Ypern)




„I stand my ground for the very last time
 Gun is ready as I stand in line
 Nervous wait for the whistle to blow
 Rush of blood and over we go...“

In einem Gegenangriff gelang den Deutschen die Rückeroberung des Dorfes, das mittlerweile schon völlig zerstört war.
Erst am 6. November eroberten die Kanadier, unterstützt von den Briten das Dorf und die umliegenden Höhen.
Die Dritte Flandernschlacht hatte alliierte Verluste in Höhe von 325.000 Mann zur Folge, für die Deutschen muss man von Verlusten bis zu 260.000 Soldaten ausgehen.


„Blood is falling like the rain
 Its crimson cloak unveils again
 The sound of guns can't hide their shame
 And so we die on Paschendale
 Dodging shrapnel and barbed wire
 Running straight at cannon fire
 Running blind as I hold my breath
 Say a prayer symphony of death
 As we charge the enemy lines
 A burst of fire and we go down
 I choke a cry but no-one hears
 Feel the blood go down my throat...“

Wie immer in den Schlachten des Ersten Weltkriegs hatte das große Sterben keinen Sinn. Weder wurden die eigentlichen Ziele erreicht, denn der Durchbruch wurde eingedämmt und die deutschen U Boot Basen, die von Land aus eingenommen werden sollten, blieben in deutscher Hand, noch konnten die Geländegewinne dauerhaft gehalten werden.
In der deutschen Frühjahrsoffensive von 1918 gingen die eingenommenen Gebiete wieder verloren.

Passchendaele ...

Ein weiterer Name für den Irrsinn des Ersten Weltkriegs.
Ein Irrsinn, der heute am 26. Oktober begann.
Heute vor 100 Jahren.

„Home, far away
 From the war, a chance to live again
 Home, far away
 But the war, no chance to live again

 See my spirit on the wind
 Across the lines, beyond the hill
 Friend and foe will meet again
 Those who died at Paschendale.“



(Die englischen Textpassagen stammen aus dem Lied Paschendale von Iron Maiden.
Bilder aus dem „In Flanders Fields“ Museum in Ypern).


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