Es gibt
sicherlich renommiertere Seiten im Internet, die an das Ende des 2. Weltkriegs
vor genau 75 Jahren gedenken, als dieser Blog hier.
Aber dennoch
möchte auch ich an diesen Tag erinnern.
Berlin
Historiker,
Museen und Forschungseinrichtungen haben in den letzten Jahrzehnten einiges
dafür getan, dass sich das Bild des Zweiten Weltkriegs uns heute besser und
detaillierter zeigt, als in der Zeit, in der ich meine Sozialisation erlebte.
Als ich
1983 mein Abitur machte, war die Zeit noch eine andere.
Wir
lebten im Kalten Krieg.
Auf der
einen Seite der Warschauer Pakt mit der Führungsnation Sowjetunion, auf der
anderen Seite die NATO mit dem großen Bruder, den Vereinigten Staaten von
Amerika.
Die
Blöcke standen sich gerüstet gegenüber.
Sie waren
ein Nachkriegsprodukt, aber ihre Strukturen begannen sich gegen Ende des
Krieges herauszubilden.
Sie waren
gefangen in Traditionen, die sich noch aus der unmittelbaren Kriegserfahrung heraus
entwickelt hatten.
Köln
Der
Gegner war für die meisten Bürger des Westens weiterhin „DER RUSSE.“
Da hatte
sich seit 1941 gefühlt nichts geändert.
Da war
eine Kontinuität, auch in der Denke.
Viele aus
der Kriegsgeneration lebten noch.
Für diese
Menschen, meine Großeltern, Tanten und Onkel, war das Kriegende gleichzusetzen
mit den Begriffen Niederlage, Untergang, Flucht und Vertreibung.
Für meine
Eltern war der Krieg Vergangenheit.
Nicht
erwähnenswert.
Man
selbst war zwar noch im Krieg geboren, erinnerte sich aber im Grunde nicht mehr
daran.
Meine
Eltern gehörten schon zur Nachkriegsgeneration, waren Erwachsene, die im
Wirtschaftswunder der frühen Bundesrepublik aufgewachsen waren, und die andere Interessen
hatten als sich mit einem vergangenen Krieg zu befassen.
Für
meinen Vater war der Kalte Krieg greifbarer.
Er hatte
in der Kubakrise Alarmbereitschaft gehabt.
Das war
in seiner Gedankenwelt verankert und für ihn auch wichtiger, weil seine Familie
hier direkt bedroht war.
In diese
Welt, die eine andere als die heutige war, trat dann 1985 ein Mann, der eine sehr wichtige Rede hielt.
In meinen
Augen eine der wichtigsten der deutschen Nachkriegspolitik.
Ich
spreche vom damaligen Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Richard
von Weizsäcker.
Er trat
in der offiziellen Veranstaltung zum Jahrestag vor den Bundestag und sagte
etwas, was wir so bisher noch nicht gehört hatten:
„….Der 8.
Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem
menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft….“
Köln
Das war
eine ganz andere Sichtweise, als die, die viele von uns kannten.
Dabei
hatte von Weizsäcker aber auch die individuellen Gefühle nicht verschwiegen.
„…Der 8.
Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst
erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche
Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser
wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur
dafür dankbar, dass Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben
davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage
des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen
Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem geschenkten neuen Anfang… Die
meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu
kämpfen und zu leiden. Und nun sollte sich herausstellen: Das alles war nicht
nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer
verbrecherischen Führung gedient. Erschöpfung, Ratlosigkeit und neue Sorgen
kennzeichneten die Gefühle der meisten. Würde man noch eigene Angehörige
finden? Hatte ein Neuaufbau in diesen Ruinen überhaupt Sinn?“
(https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/19850508_Rede.html Kompletter Text der Rede).
Im
Ausland wurde die Rede gefeiert.
Im Inland
hatten einige damit Probleme, vor allem Parteifreunde des Bundespräsidenten aus
den Reihen der CDU/CSU.
Kontroverse
Diskussionen wurden geführt.
Am
markigsten sicherlich die Aussage des damaligen bayrischen Ministerpräsidenten
Franz Josef Strauß: „…die ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche
Dauerbüßeraufgabe lähmt ein Volk!“
Historisch
betrachtet handelt es sich um eine große Rede.
Denn sie
könnte auch noch heute, fast unverändert, auch am 75. Jahrestag gehalten
werden.
Deutschland
hat sich seit 1985 entwickelt.
Mit 1945
ist es nicht mehr vergleichbar.
Der
Großteil unserer Bevölkerung ist auch heute noch bereit die Ideen des damaligen
Bundespräsidenten zu teilen.
Wir sind
vom ehemaligen Feind, zum Partner, zum Freund vieler Nationen geworden.
Das
sollte uns bewusst sein, und diese Weiterentwicklung als Nation sollten wir
auch immer so weiterverfolgen.
Mainz
Ein
Erinnern an den Krieg, ein selbstbewusstes Bekennen zu Fehlern der
Vergangenheit, ein Bemühen um Aufklärung und weitergehenden Erforschung unfassbarer Verbrechen, so etwas ist kein Dauerbüßen,
kein Knechttum oder ähnliches, wie das oftmals von Demagogen behauptet wird, sondern
die Vergangenheitsbewältigung einer selbstbewussten, aufgeklärten,
demokratischen Nation.
Wer das
anders sieht, der kann das gerne tun; und dass er das gerne tun kann, müsste
auch ihm eigentlich klar machen, wie weit Gedanken- Rede- und Meinungsfreiheit
in der Demokratie gehen kann.
Zudem
empfehle ich einfach diese Zahlen hier auswendig zu lernen, und sie solange
aufzuschreiben, bis man es dann mal kapiert hat, wozu Krieg führt:
Kriegstote
nach Staatsangehörigkeit:
Land
|
Soldaten
|
Zivilisten
|
Gesamt
|
30.000
|
30.000
|
||
10.000
|
50.000
|
60.000
|
|
32.000
|
32.000
|
||
3.500.000
|
10.000.000
|
13.500.000
|
|
5.185.000
|
1.170.000
|
6.355.000
|
|
89.000
|
2.700
|
91.700
|
|
210.000
|
150.000
|
360.000
|
|
20.000
|
160.000
|
180.000
|
|
270.825
|
62.000
|
332.825
|
|
24.338
|
3.000.000[3]
|
3.024.338
|
|
240.000
|
60.000
|
300.000
|
|
2.060.000
|
1.700.000
|
3.760.000
|
|
740.000
|
950.000
|
1.690.000
|
|
42.042
|
1.148
|
43.190
|
|
10.000
|
10.000
|
||
22.000
|
198.000
|
220.000
|
|
7.500
|
2.500
|
10.000
|
|
100.000
|
130.000
|
230.000
|
|
57.000
|
943.000
|
1.000.000
|
|
300.000
|
5.700.000
|
6.000.000
|
|
378.000
|
378.000
|
||
13.000.000
|
14.000.000
|
27.000.000
|
|
9.000
|
9.000
|
||
20.000
|
70.000
|
90.000
|
|
360.000
|
590.000
|
950.000
|
|
407.316
|
407.316
|
Trier
In diesen
Zahlen sind 6 Millionen Juden und andere zivile Opfer noch gar nicht erfasst.
Vielmehr
gibt es gar nicht zu sagen.
Außer vielleicht, dass die gesamte Bundesrepublik diesen Tag als offiziellen stillen Gedenk- und Feiertag begehen sollte, nicht nur das Bundesland Berlin.
Man könnte aller Toten und der Befreiung gedenken.
Heute, 75 Jahre nach Kriegsende, wären wir dazu in der Lage. 1985 wäre ein solcher Schritt für die meisten noch undenkbar gewesen.
Außer vielleicht, dass die gesamte Bundesrepublik diesen Tag als offiziellen stillen Gedenk- und Feiertag begehen sollte, nicht nur das Bundesland Berlin.
Man könnte aller Toten und der Befreiung gedenken.
Heute, 75 Jahre nach Kriegsende, wären wir dazu in der Lage. 1985 wäre ein solcher Schritt für die meisten noch undenkbar gewesen.
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